06.10.2020 | Spotlight

Produktion der Zukunft – Modular, intelligent und vernetzt

Ein Fokusthema der ACHEMA

Der Markt in der Spezialchemie erfordert immer mehr angepasste Produkte. Prozesse müssen möglichst schnell entwickelt werden und  Produktionsanlagen möglichst flexibel sein. Gleichzeitig sollen sie möglichst wenig Energie und Rohstoffe verbrauchen, um den CO2 Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Ein Ansatz, um all diesen Zielen gerecht zu werden, ist die modulare Produktion. 

Bei der Modularisierung spielen zwei wesentliche Teilaspekte zusammen. Die Prozessapparate müssen in Module untergliedert sein und die Automatisierungstechnik braucht eine modulare Struktur. In der Kombination ergibt sich hieraus ein Paradigmenwechsel in der Prozessentwicklung weg von verfahrenstechnischen Grundoperationen hin zu Services von Modulen. Anstatt bei einem Rührkessel die Zulaufventile, die Temperiereinheit, den Rührer und die benötigte Sensorik einzeln in die Automatisierung einzubinden, gibt es eine Art Druckertreiber für das Modul, das Module Type Package (MTP). Die MTP-Schnittstelle liefert hier den Service „Mischen“, der vom Leitsystem die Parameter des Mischungsvorgangs mitgeteilt bekommt. Die Steuerung der einzelnen Komponenten des Moduls läuft dann gekapselt in dem vom Modulbauer mitgelieferten Service.

Der Dirigent für die modulare Prozessanlage

Der Process Orchestration Layer koordiniert das Zusammenspiel der Einzelmodule und bindet die Module in die Gesamtanlage ein.  So können neue Module schnell in eine bestehende Anlage eingebunden werden, denn auch in der Automatisierung muss nur noch ein Element hinzugefügt werden. Selbst die Integration in die Bedienoberfläche wird durch das MTP vereinfacht, da die anzuzeigenden Elemente mitgeliefert werden. Das Design der Visualisierung wird dabei vom Steuerungssystem vorgegeben, um ein einheitliches look-and-feel zu erhalten. Damit das klappt sind standardisierte Datenaustauschformate nötig, wie das XML-basierte DEXPI-Format zur Beschreibung des Modulaufbaus.

Wie kommt man an die Prozessdaten?

Da die Prozessschritte gekapselt in den Modulen laufen, stellt sich die Frage, wie die Prozessdaten für weitere Industrie 4.0 Anwendungen verfügbar gemacht werden können, zum Beispiel Advanced Analytics. Die Antwort ist die NAMUR Open Architecture (NOA), die diese Daten über einen zweiten Kanal bereitstellt, ohne Rückwirkung auf die Prozesssteuerung.

Flexibilität durch Standardmodule – Wie finde ich das richtige Modul?

Durch den Einsatz von Standardmodulen ist eine flexiblere Produktion möglich. Die Module können angepasst an den jeweiligen Prozess zusammengestellt werden und durch die Schnittstelle schnell in die Automatisierung eingebunden werden. In der Planung werden hierbei zunächst die Anforderungen formuliert, um dann in einer Moduldatenbank geeignete Module zu identifizieren. Diese Datenbank kann aus dem bereits aufgebauten eigenen Modulpark bestehen, aber auch verfügbare Module von Lieferanten beinhalten. Auch wenn nicht alle benötigten Prozessschritte über vorhandene Module abgebildet werden können, sorgt schon ein teilmodularer Aufbau für einen deutlichen Zeitgewinn bei Anlagenplanung, -bau und -automatisierung und damit eine kürzere Time-to-Market. Die mehrfache Verwendung von Apparaten bietet zudem deutliche Kostenvorteile.

Module in der Prozessentwicklung – Batch to Continuous

Wenn Standardmodule verwendet werden, können in der Prozessentwicklung entsprechend kleinere und skalierbare kontinuierlich betriebenen Apparate eingesetzt werden. Kontinuierliche Prozesse sind üblicherweise deutlich effizienter als Batchprozesse. Um Batchergebnisse aus dem Labor auf einen kontinuierlichen Prozess zu übertragen ist eine Pilotphase nötig. Sie ist aufwendig und wird deshalb oft gescheut, wodurch Produktionsprozesse im ineffizienten Batchverfahren bleiben. Mit dem Einsatz von kontinuierlich betriebenen Laborapparaten kann diese Pilotierung deutlich reduziert werden oder es ist sogar ein vollständiger verzichtet auf diese Phase möglich.

Kosten von Modularen Anlagen – Eine strategische Entscheidung

Mit modularen Anlagen können Prozesse schneller entwickelt werden und der Einsatz kontinuierlicher Apparate sorgt für eine hohe Effizienz. Daraus entsteht ein merklicher Kostenvorteil – allerdings erst über die Betriebszeit der Apparate; die anfänglichen Investitionskosten sind höher als bei konventioneller Anlagenplanung. Die Module können für eine Wiederverwendung nicht auf spezifische Parameter designt werden, sondern müssen einen größeren Parameterraum abdecken. Diese Kosten amortisieren sich bei mehrfacher Verwendung der Module. Auch die Planungsleistung kann für ähnliche Module wiederverwendet werden. Investitionskosten werden aber auf das aktuelle Projekt angerechnet und nicht auf optionale Prozesse, die in Zukunft möglich sein können. Das erfordert eine strategische Entscheidung für das Konzept der modularen Anlagen, um die Umsetzung unabhängig von Einzelprojekten zu ermöglichen.
Über die Zeit ergeben sich dann auch weitere Kostenvorteile, denn wenn nach und nach ein Modulpark aufgebaut wird, wird der Produktionsstandort flexibler.
Auf der Automatisierungsebene ist es deutlich aufwendiger, mögliche Services für die MTP-Schnittstelle zu definieren, als  einmalige eine Grundoperation zu programmieren. Die Services werden jedoch vom Modullieferanten bereitgestellt, bei dem sich diese Kosten dadurch relativieren, dass diese Programmierungsleistung für ähnliche Module wiederverwendet werden kann. Trotzdem ergibt sich hier eine Verschiebung des Programmieraufwandes vom Anwender hin zum Lieferanten.

Der Sprung in die (flächendeckende) Anwendung

Eine Vielzahl von Lieferanten bietet bereits Equipment mit MTP-Schnittstelle an. Auch die großen Automatisierungslieferanten haben die MTP-Funktionalität in ihre Systeme eingebunden und Pilotprojekte bei Anwendern sind umgesetzt. Von diesen ersten Ansätzen gilt es jetzt die Umsetzung der modularen Produktion für die Zukunft zu gestalten.

Autor

Dr. Alexander Möller

Dr. Alexander Möller koordiniert bei der DECHEMA Projekte zu Modularer Produktion, Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung der Prozessindustrie. 

alexander.moeller[a]dechema.de
http://enpro-initiative.de/enpro/en

Schlagwörter in diesem Artikel:

#modulare und vernetzte produktion

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