07.10.2020 | Menschen

ACHEMA auf Amerikanisch

Alan Morris erinnert sich an seine 22 Jahre als Repräsentant der ACHEMA in den USA und Kanada

Ihre Geschichte bei der ACHEMA reicht über mehr als drei Jahrzehnte zurück. Wie lange genau?

  • __Mein erster Kontakt mit der ACHEMA war eigentlich als Aussteller im Jahr 1988. Damals war ich Herausgeber des Chemical Engineering Magazine bei McGraw-Hill. Wir hatten viele europäische und vor allem deutsche Werbekunden, von denen viele auf der ACHEMA ausstellten. Es war sehr praktisch, sie auf der ACHEMA alle an einem Ort versammelt zu haben. 1998 wurde ich dann Repräsentant der ACHEMA für die Vereinigten Staaten und Kanada.

Können Sie sich an das erste Mal erinnern, als Sie die Ausstellungshallen betraten?

  • __Ich erinnere mich, dass ich absolut erstaunt war ob der Größe – der Exponate, der Zahl der Aussteller und natürlich auch der Besuchermenge. Ich fühlte mich wie ein Zwerg in der riesig hohen Halle 8 und zwischen den mehrstöckigen, raumschiffartigen Ständen. Die ACHEMA versprüht Glanz und Glamour und doch dreht sich hier alles um das ernste Geschäft der chemischen Technik. Die ACHEMA ist einzigartig in der Messewelt, sie ist ein Ausrüstungs-Spektakel.

Was unterscheidet die ACHEMA heute von der ACHEMA von vor zwei oder drei Jahrzehnten? Was hat sich verändert?

  • __Der ganze Informationsfluss ist definitiv moderner geworden, denken Sie nur an den Katalog: ich erinnere mich an die gewichtigen gedruckten und gebundenen Exemplare; mehrere Bände, jeder mehr als ein Kilo schwer. Gottseidank wurden sie 1997 durch Disketten ersetzt. Jetzt steckt mit der mobilen App die ganze Information im Mobiltelefon. Vor, während und nach der Messe ist alles auf Knopfdruck zur Hand: Katalog, Kongressprogramm, Pressemitteilungen. Da ist die ACHEMA absolut mit der Zeit gegangen. Natürlich hat sich auch an den Exponaten viel geändert. Die Apparate sind so viel digitaler geworden, vieles ist automatisiert und der Umweltschutz hat heute einen ganz anderen Stellenwert.

Sie sagten, die Ausrüstung sei digitaler geworden. Das gilt auch für die gesamte Welt der Kommunikation. Warum brauchen wir immer noch eine Messe, auf der wir Maschinen anfassen können – können wir das nicht einfach über das Internet tun?

  • __Besonders seit COVID-19 versuchen wir ja alles digitaler zu machen, aber ich denke dass es wichtig ist, vor Ort zu sein. Auf der ACHEMA ergänzen sich der Kongress und die Ausstellung ganz großartig. Gibt es einen besseren Weg zu lernen, als Technik zu sehen, zu erleben und anzufassen? Im Vergleich zu anderen Veranstaltungen hat die ACHEMA den großen Vorteil, dass die meisten Maschinen tatsächlich in Betrieb sind. Man kann live dabei sein, wie Tabletten gepresst und verpackt werden – das ist über das Internet nicht möglich.

Was ist gleich geblieben? Was würde jemand, der vor 30 Jahren dort war und im nächsten Jahr wiederkommt, unverändert finden?

  • __Unverändert ist dass Sie jedes Mal, wenn Sie auf die ACHEMA gehen, etwas Neues dazulernen. Es ist aber immer etwas anderes, das Sie lernen. Ganz sicher ist die ACHEMA aber jedes Mal ein Ort, an dem es die Innovationen der Zukunft zu sehen gibt.

Es heißt, dass Messen in den USA ganz anders funktionieren als in Deutschland. Wie würden Sie jemandem aus Nordamerika die ACHEMA erklären?

  • __Das mache ich sehr oft, aber ist echt schwer, jemandem das Ausmaß der ACHEMA zu vermitteln, der sie noch nicht selbst erlebt hat. Die Messen in den USA sind in letzter Zeit immer kleiner geworden, weil viele Industriezweige in den letzten 20 Jahren geschrumpft sind. Parallel dazu ist auch die Zahl der Leute, die früher an den Messen teilgenommen haben, geschrumpft. Auf der ACHEMA kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen, während Messen in den USA viel kleiner sind.

Wie denken Sie über den Kongress? Er wird als ein wichtiger Teil der ACHEMA angesehen.

  • __Kongress und Ausstellung gehören untrennbar zusammen, davon bin ich überzeugt. Beides zusammen bietet eine großartige Lernerfahrung. Es ist eine Sache, in einem Vortrag oder einer Podiumsdiskussion etwas zu hören, aber es ist etwas ganz anderes, dieselbe Technologie in der Ausstellung in Betrieb zu sehen. Der Kongress ist außerdem auf seine ganz eigene Weise ein Publikumsmagnet. Er zieht mehr die wissenschaftlich Interessierten an, die nicht unbedingt wegen der Ausstellung kommen, dann aber trotzdem mal durch die Hallen laufen. Das ist ein weiterer Unterschied zwischen Messen in den USA und in Europa: In den USA fangen wir gerade erst damit an, Messen auch als Orte des Lernens zu sehen.  In den vergangenen Jahren haben wir uns zu sehr auf den Verkaufsaspekt der Messen verlassen, um das Fachpublikum anzuziehen, obwohl das mit einem gut gemachten Vortragsprogramm vielleicht besser gelungen wäre.

Wie erklären Sie die ACHEMA einem Interessenten, der noch nie von ihr gehört hat?

  • __Ich versuche, so gut wie möglich zu vermitteln wie spannend die ACHEMA ist und natürlich auch wie groß sie ist. Dann erkläre ich, wie viele Fliegen der Interessent mit einer einzigen Klappe schlagen kann. Vielleicht sucht er einen Vertreter für eine neue Region oder will zum ersten Mal exportieren, nachdem er bisher nur in den USA Geschäfte gemacht hat. Ich erkläre auch, dass er nicht nur auf Kunden treffen wird, sondern auch auf die Konkurrenz. Das ist für Amerikaner sehr ungewohnt; viele wollen nicht direkt neben einem Konkurrenten stehen. Sie verstehen dann aber schnell, dass Konkurrenz das Geschäft auch beleben kann.

Gibt es etwas, was Ihnen von der ACHEMA besonders in Erinnerung bleibt?

  • __Ich erinnere mich gerne an den ACHEMA-Ball, der bis 2009 stattfand. Da ging es ziemlich förmlich zu, man bekam bekannte Entertainer zu sehen und es war einfach eine schöne Gelegenheit, sich nach zehn Stunden Messe ein bisschen zu entspannen. Einige Kunden veranstalten Standparties, die sind auch immer lustig. Irgendwann ist ja auch mal gut mit arbeiten, oder? Die Tage auf der Messetage sind lang, die Füße sind müde, da darf man sich auch mal mit Freunden und Kunden entspannen.

Welche Herausforderungen gab es für Sie in den letzten zwei Jahrzehnten als ACHEMA-Repräsentant für die USA und Kanada?

  • __Die COVID-19-Pandemie macht uns 2020 allen das Leben schwer und ich hoffe, dass das bis zum Sommer 2021 gelöst sein wird. Es ist nicht die erste Infektionskrankheit, die die ACHEMA bedroht, ich erinnere mich an SARS 2003 und die Schweinegrippe 2012. Erfahrungsgemäß meistert die DECHEMA aber solche Situationen immer super. Abgesehen von diesen schrecklichen Dingen, für die niemand etwas kann, habe ich miterlebt, wie sich die Herangehensweise der Amerikaner ans Geschäftemachen gewandelt hat. Lange Zeit haben wir uns damit begnügt, Handel nur innerhalb der USA zu betreiben, weil wir genug Käufer hatten. Das änderte sich vor 20 oder 30 Jahren, als die Amerikaner zwangsläufig zu Exporteuren wurden. Der Wettbewerb wurde heftig, als unser Markt schrumpfte und immer mehr Nationen in die USA drängten. Die Herausforderung besteht darin, die Firmen wachzurütteln und über die eigene Landesgrenze hinaus zu denken, zum ersten Mal über eine internationale Messe nachzudenken. Sie davon zu überzeugen, dass die ACHEMA ein bisschen teurer ist, sich am Ende aber umso mehr auszahlt.

Bitte vervollständigen Sie die folgenden Sätze:
Wenn ich nicht ACHEMA-Repräsentant wäre, wäre ich gerne...

  • __Elon Musk. SpaceX, Tesla – nur ein Scherz. Aber ich mag seinen Unternehmergeist. Ich hatte das Glück, als ACHEMA Repräsentant mein eigener Chef zu sein, nachdem ich jahrzehntelang angestellt war.

Wer zum ersten Mal die ACHEMA besucht sollte...

  • __wirklich bequeme Schuhe tragen! Als ich das erste Mal in den 80er Jahren als Aussteller auf der ACHEMA war, trug ich schicke italienische Schuhe mit dünnen Sohlen. Nach zwei Tagen musste ich mir ein bequemeres Paar kaufen. Die meisten Flächen sind zwar mit Teppichboden ausgelegt, aber man ist trotzdem viel auf Beton unterwegs. Eine andere Sache die ich empfehle: Komm‘ nicht alleine! Wenn man von 9.00 Uhr morgens bis 18.00 Uhr abends auf der Messe unterwegs ist, wird der Tag echt lang. Mit Leuten zu reden, Verhandlungen zu führen und die ganze Zeit auf den Beinen zu sein, das schlaucht. Bring‘ jemand mit, der Dir hilft und teilt Euch die Arbeit.

Ich freue mich auf die ACHEMA 2021, weil...

  • __diese Messe meine letzte ACHEMA ist. Einerseits bin traurig, andererseits freue ich mich aber auch, weil ich endlich meine Freunde, meine Kunden und die anderen Repräsentanten wiedersehe.

Über

Alan Morris studierte Journalismus an der University of South Carolina und war für mehrere Industrieverbände tätig. Während seiner Zeit als Herausgeber des Chemical Engineering Magazins rief er die Messezeitung ACHEMA Daily ins Leben, die bis heute fortbesteht. Mit seiner Fima Morris Marketing vertritt er die ACHEMA in the USA and Kanada seit 1998.

Die Fragen stellte Marlene Etschmann.

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